Louis Ernest Reguin wurde am 29.Juni 1872 als erstes Kind eines Graveurs und einer Uhrmacherin auf den Höhen des Schweizer Juras in der Stadt La Chaux-de-Fonds geboren. Hier verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens. Von 1889-1895 liess er sich an der “Ecole des arts appliqués à l’industrie“ zum Graveur und Emailmaler ausbilden. Nach dem Archiv der Kunstschule zu schliessen, besuchte Louis Reguin bereits mit 17 Jahren Kurse im künstlerischem Zeichnen, Perspektive, Skulptur und dekorative Komposition. Zum Graveur und Emailmaler liess er sich in den Jahren 1891 bis 1895 ausbilden. Wie das Schularchiv zeigt, wird Louis Reguin während seiner Studienzeit regelmässiger Empfänger von Auszeichnungen, die im Verlauf eines Schuljahres für besondere Leistungen vergeben worden sind.
1899 Heirat mit Milca Ducommun, einer Uhrmacherin aus La Chaux-de-Fonds. Aus dieser Verbindung gingen drei Kinder hervor. Louis Reguin arbeitete ab 1903 als freischaffender Künstler in seinem Atelier Rue du Temple Allemand 89, in La Chaux-de-Fonds. Er bezeichnete sich selbst als “Maler auf Email“ und Miniaturisten. Die Emailmalerei war seine Haupttätigkeit, sprich sein Broterwerb. Seine Kunstfertigkeit kam schnell zu hohem Ansehen, was ihm Aufträge der bedeutendsten Firmen einbrachte. Zu nennen sind etwa die Firmen Movado, Longines, Zenith, Doxa, Borel Fils und Weber in Genf. Der Ruf von Louis Reguin drang auch zu solventen Kundinnen und Kunden, wie zum Beispiel zu Monarchen und Fürsten. So fertigte Louis Reguin für den Zaren Nikolaus II. von Russland, einen Prinzen aus dem Hause des äthiopischen Negus und indische Maharajas Miniaturen an. Die Emailmalereien, die Louis Reguin schuf, sind Kleinstkunstwerke, die zur persönlichen, ja intimen Welt des Besitzers gehören. Die Betrachterin und der Betrachter müssen sie intensiv und liebevoll mit ihren Augen erforschen, um die Welten zu entdecken, die hier auf wenigen Quadratzentimetern glimmen und leuchten. Den winzigen Emailmalereien unseres Künstlers gelingt es, präzis die physischen und psychischen Besonderheiten von Persönlichkeiten, die Poesie von Genrebildern, die Monumentalität von wuchtigen Gebirgslandschaften und die zarte Feinheit von Blumengebinden zu vermitteln. Wie seine bis heute bekannten Emailmalereien vermuten lassen, widmete Louis Reguin sich wohl am intensivsten der Darstellung von Portraits, Landschaften, sowie Pflanzen und Blumen. Unter den Kopien bekanter Gemälde sind drei Emails besonders erwähnenswert. So das Email “Eine junge Frau in Procida, die einem Fischer den Wasserkrug zum Trinken reicht“ welches ein Gemälde von Léopold Robert von 1827 wiedergibt. Dabei ist es Louis Reguin gelungen, auf seiner Emailminiatur die Szene mit den beiden jungen Menschen weitaus monumentaler darzustellen, als es auf dem 86 auf 74 cm grossen Ölbild von Leopold Robert der Fall ist. Weiter ein Emailbild, das einer Studie der eurythmischen Darstellung des Tages von Ferdinand Hodler entspricht. Beachtenswert ist ein Uhrenzifferblatt, das die zentrale Szene des monumentalen Gemäldes “Die Übergabe von Breda“ des spanischen Malers Velasquez zeigt: im wahrsten Sinne des Wortes eine “Velasquez-Taschenausgabe“.
Auf Wanderungen und langen Spaziergängen fand Louis Reguin in der Natur die Kraft und Ruhe für seine mit Virtuosität ausgeführten Emailminiaturen. In eben diesen ruhigen Momenten, inmitten seiner geliebten Natur entstehen die meisten seiner graphischen Werke, meisterliche Kleinformate die von einer direkten Umsetzung des Erlebten zeugen. In der freien Zeichnung fand er seine ganz persönliche Ausdrucksform. Hier war er nicht gezwungen, sich mit den von Auftraggebern gewünschten historischen, mythologischen, religiösen, symbolischen oder allegorischen Themen zu befassen. Am liebsten widmete er sein persönliches Werk der von Menschen weitgehend noch unberührten Natur und Landschaft. Das in kraftvollen und leuchtenden Farben gemalte Bild von„Eiger, Mönch und Jungfrau“ erinnert in seinem festen und rhythmischen Aufbau an bestimmte, wie monumentale Skulpturen wirkende Bergdarstellungen Ferdinand Hodlers. Trotz der Nähe zu Ferdinand Hodler betont Louis Reguin mehr das Atmosphärische, das Spiel der Farben auf den Bergen und am Himmel, während jener das Massive einer gleichsam gemeisselten und gehauenen Figur unterstreicht. Auffällig ist, wie Louis Reguin seine Landschaftsdarstellungen durch den Rahmen beschneidet. Dies geschieht auf eine Weise, die die Phantasie des Betrachters auffordert, die jenseits des Rahmens nicht mehr dargestellte Landschaft zu vollenden. Die Ablehnung eines gleichgewichtigen Bildaufbaus um ein Zentrum herum, findet sich in der Nachfolge der Impressionisten und unter dem Einfluss der japanischen Malerei. Seine Vorliebe für die Darstellung von Fragmenten des Ganzen teilt Louis Reguin mit vielen Künstlern seiner Zeit. Ein ganz erstaunliches Blatt ist die Arbeit “Stilleben mit Früchten“. Hier glaubt man die Qualität eines Paul Cézanne, des grossen Wegbereiters der Moderne, zu spüren. Wie im Impressionismus gibt es hier keine trennenden Linien. Der dynamischen Formauflösung stellt Louis Reguin klar geordnete Strichfolgen entgegen, die die Früchte dank einer hochdifferenzierten Farbmodulation systematisch ineinander überführen. Alle Bildelemente sind in ein festes Ordnungsgefüge eingebunden, das Ruhe ausstrahlt. Jeder neu hinzugefügte Farbfleck wird erst dann gesetzt, wenn der Künstler sicher ist, dass er damit den Einklang des bereits Vorhandenen weiterführt. In der klaren Kargheit erinnert das Blatt von Louis Reguin an J.B. Chardin. Die Ordnung der Farbflecken, die der Künstler als Grundbausteine einsetzt, ergibt nicht nur ein Bild von Gegenständen, sie erzeugt eine neue Wirklichkeit, eben jene, wie Kadinski es einmal ausgedrückt hat, “innerlich malerisch klingende Sache, die Bild heisst“. Nicht mindere Beachtung verdienen die empfindsamen Porträts aus der Hand von Louis Reguin, wie zum Beispiel das liebevolle Bildnis seiner Frau Milca. Von einer direkten Umsetzung des Erlebten zeugen auch seine Blumensujets. In diesen Werken zeigt er sich als Botaniker der die altmeisterliche Technik der Feinmalerei mit seiner eigenen Sensibilität zu verbinden verstand ohne dabei auf eine exakte Beobachtung zu verzichten. Louis Ernest Reguin, ein Grosser des Kleinformats, verstarb am 22.Dezember 1948 in La Chaux-de-Fonds.
Urs Staub / Thomas Walser-Wied